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  • AutorenbildNadine

Warum uns Trödeln glücklich macht: Selbstwirksamkeit im Hundealltag

Wie lange gehst du eigentlich mit deinem Hund Gassi? Nach welchen Kriterien legst du fest, wie lange euer Spaziergang dauern soll? Und was genau passiert in der Zeit, in der ihr gemeinsam unterwegs seid?


Wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe, kann dies total unterschiedlich ablaufen. Einmal nehme ich mir eine gewisse Kilometerzahl vor, die wir zurücklegen wollen. An anderen Tagen möchte ich etwas für unsere Fitness tun, und wir erhöhen die Geschwindigkeit. Einige Spaziergänge nutze ich fürs Training und suche dementsprechend die Strecken aus. Hin und wieder wollen wir einfach nur draußen sein. Dann lassen wir uns treiben und genießen das schöne Wetter. Was jedoch alle Gassirunden gemeinsam haben: ich entscheide über den Ort, die Dauer, die Strecke und den Zweck. Ich packe die Tasche und wähle die Leckerchen und Spielzeuge aus, die wir mitnehmen. Meine Hunde müssen mit, sie müssen meine Entscheidungen mittragen, ob sie darauf Lust haben oder nicht.

Ganz schön gemein eigentlich, oder? Immer wieder baue ich deshalb Gassis ein, auf denen einer meiner Hunde die wichtigsten Entscheidungen treffen kann. Und an solch einem Spaziergang möchte ich euch heute teilhaben lassen.


In der letzten Zeit sind wir relativ flott viele Kilometer gegangen - etwas, das genau Cashis Ding ist. Georgie läuft diese Runden fleißig und freudig mit. Ich weiß aber, dass er - wenn er könnte - seine Runden anders gestalten würde. Also ist heute Georgies Tag! Ich suche eine Strecke aus, auf der die Hunde möglichst viel im Freilauf sein können. Von Beginn an passe ich mich Georgie an. Er darf das Tempo bestimmen, stehen bleiben und schnüffeln, wo immer er möchte. Ich folge ihm und bedränge ihn nicht. Er kennt das bereits und kostet seine Zeit voll aus: für die ersten 150 Meter brauchen wir bereits fast 10 Minuten.


Heute achte ich besonders darauf hinter oder neben Georgie zu bleiben. Ginge ich zu weit vorneweg, hätte er Sorge den Anschluss zu verlieren, und würde sich eventuell von interessanten Schnüffelstellen lösen, obwohl er dort gerne noch Zeit verbracht hätte. Wenn ich hinter ihm bin, bleibe ich stehen, wenn er anhält. Ich schließe nicht auf, sondern behalte den aktuellen Abstand bei. Würde ich weiter auf ihn zugehen, könnte er sich angetrieben fühlen. Dadurch, dass ich auf ihn achte, warte und keinen Druck ausübe, kann er die Zeit draußen total genießen. Er kann genüsslich jeden Pfosten abschnüffeln und hat alle Zeit der Welt, den leckersten Grashalm zu finden und abzuzupfen.


An einer Kreuzung angekommen haben wir die Möglichkeit links abzubiegen und eine größere Runde zu gehen, oder den Weg nach rechts einzuschlagen für eine etwas kürzere Strecke. Das Wetter ist gut, die Sonne scheint und es ist schön warm, also hätte ich normalerweise ganz automatisch die größere Runde gewählt. Heute jedoch überlasse ich Georgie die Entscheidung wohin wir gehen. Dadurch, dass wir in dieser Gegend öfter unterwegs sind, kennt er sich gut aus und weiß genau, wohin die Wege führen und wie die Strecke aussehen wird. Ich verzögere also vor der Kreuzung etwas und warte ab, für welche Richtung Georgie sich entscheiden wird. Er bleibt kurz stehen, scheint zu überlegen und beschließt dann, dass wir nach rechts abbiegen.

Wahlmöglichkeiten (also Handlungsoptionen) zu haben ist ein grundlegendes psychologisches Bedürfnis von Menschen UND Hunden, wirkt extrem selbstbelohnend und macht damit glücklich!


Wir sind inzwischen fast eine Stunde unterwegs. Georgie macht einen äußerst ausgeglichenen Eindruck. Er kann in aller Ruhe schnüffeln, minutenlang an einem Grasbüschel knabbern, unzählige Male markieren, stehen bleiben und die Nase in die Luft strecken, einen verführerischen Duft verfolgen, Vögel beobachten, zurück laufen, um eine interessante Stelle ein zweites Mal zu beäugen... und das alles ohne nach jedem Stopp wieder galoppierend den Abstand zu Cash und mir aufholen zu müssen, weil wir heute einfach ganz selbstverständlich auf ihn gewartet haben. Und das Erstaunliche: seine entspannte Ruhe springt auf Cash über! Mein "Duracell-Häschen" passt sich an, nimmt sich Zeit und kopiert Georgies Verhalten. Zwischendurch setzen wir uns einfach auf die Wiese und lauschen dem Zwitschern der Vögel.


Nach etwa 1,5 Stunden ist unser Spaziergang beendet. Wir haben in dieser Zeit gerade mal 3 Kilometer zurückgelegt, also keinesfalls eine Strecke, von der man üblicherweise behaupten würde, dass die Hunde danach "ausgelastet" sind. Und doch wirken Georgie und Cash glücklich und gelöst, geradezu von innen heraus zufrieden.

Woran das liegt?

Zum Großteil vermutlich daran, dass sie heute einfach ihre Hundedinge erledigen durften. Georgie durfte mitbestimmen, Entscheidungen treffen und deutlich machen, was seine Bedürfnisse in diesem Moment sind. Etwas, das Hunde viel zu selten tun können, sind sie doch in ihrem kompletten Alltag von uns anhängig.

Wir Menschen entscheiden, wo sie leben, mit wem sie ihr Zuhause teilen müssen, auf welchem Platz sie schlafen dürfen, wann sie Futter bekommen, womit sie spielen können, wann sie raus gehen, ob sie tierärztlich versorgt werden, welche sozialen Kontakte sie haben, mit welchen Methoden sie trainiert werden und noch Vieles mehr.

Selten geben wir Hunden die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und Dinge eigenständig erfolgreich zu meistern. Doch genau dies ist wichtig, um das Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit entwickeln zu können, das sie wiederum zu selbstbewussten, mutigen und gelassenen Hundepersönlichkeiten werden lässt. Gib deinem Hund ein bisschen Selbstbestimmung zurück! Du wirst überrascht sein was passiert, und vielleicht entdeckst du plötzlich ganz neue Seiten an ihm!



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